Sahaja Yoga erwiderte auf das Schreiben vom Leiter der NÖ Sektenstelle, Dr.Pitzinger, welches jedoch viele Fragen offen lies, mit dem unten stehenden Brief. Dieser Brief wurde nie beantwortet, ein weiterer Hinweis dafür, dass die Sektenstellen nicht an Dialog interessiert sind.



An das Amt der
Niederösterreichischen Landesregierung
Herrn LH Dr. Pröll
3109 St.Pölten
Landhausplatz 1

5. Mai 2005
Betrifft F3-FS-/005-2005

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Pröll

vielen Dank für das Schreiben vom 30. März 2005, welches von Herrn Dr. Pitzinger verfasst wurde. Die in Ihrem Namen getroffenen Ausführungen getroffenen Aussagen haben mir jedoch weder Klarheit über die Hintergründe der Veranstaltung verschaffen noch die Rechtmäßigkeit der getroffenen Aussagen darstellen können. Ich sehe mich daher veranlasst, mich nochmals an Sie zu wenden und Sie als verantwortungsbewusste Landesrat auf folgenden Umstände aufmerksam zu machen:

• Die Veranstalter weisen die Vermutung zurück, dass sie die Teilnehmer einseitig beeinflussen wollten, mit dem Argument, dass auch religiöse Gruppen Sachkritik annehmen können müssen. Dieses Argument stimmt, rechtfertigt aber keinesfalls die undemokratische Vorgangsweise der Veranstalter. Sie ist auch widersprüchlich: Wie soll Sahaja Yoga Kritik annehmen, wenn kein Vertreter von Sahaja Yoga kontaktiert oder offiziell eingeladen wird? Die Sachkritik der Sektenstellen beschränkte sich bisher vorwiegend auf einseitiger Polemik und Pauschalurteile, ohne das Sahaja Yoga Gelegenheit zu einer objektiven Auseinandersetzung gegeben wurde.

Wer zu einer Veranstaltung keinen Vertreter gerade jener Gruppe einlädt, die Tagungsthema ist, ja sogar besonders darauf hinweist, dass die Veranstaltung keine Geheimveranstaltung war , scheut sich in Wahrheit, selbst – und zurecht - für diesen Ausschluss anderer kritisiert zu werden. Bei einer Fachtagung, die mit öffentlichen Geldern finanziert wird, ist es doch wohl selbstverständlich, dass diese Fachpublikum zugänglich ist und dieser Zugang nicht durch Weltanschauung oder Religionszugehörigkeit eingeschränkt wird.

• Dass die Veranstaltung lediglich als konkreter Erfahrungsaustausch verschiedener Dienststellen gedacht war, ist interessant, nur: welcher Dienststelle welcher Behörde sind Personen wie Herr Prof. Friedrich und Herr Mag. Felinger von der GSK, als Sprecher eines privaten Vereins, welcher private Meinungen vertritt, zuzurechnen? Zu Herrn Mag. Felingers unsachlichen Vortrag war nicht einmal die Gelegenheit zur Publikumsdiskussion gegeben.

• Festzuhalten ist, dass es entgegen der Behauptungen der Veranstalter keinen jahrelangen Kontakt der Sektenstellen mit Vertretern von Sahaja Yoga gibt. Die Sektenstellen wie die GSK ziehen ihre verallgemeinerten Schlüsse vorwiegend auf der Basis von einseitigen beziehungsweise ungenannten Quellen und Einzelfällen. Von Seiten der Sektenstellen wurde noch kein Versuch zur Kommunikation mit Sahaja Yoga unternommen, noch bestand Interesse an einer objektiven Bestandsaufnahme über die Situation von Kindern und Jugendlichen in Sahaja Yoga.

• Die Sektenstellen führen in ihrer Argumentation regelmäßig den angeblichen Wunsch nach Anonymität von Seiten der bei den Stellen anfragenden Personen an. Leider dient diese Anonymität auch dem Schutz von willkürlicher, ungerechtfertigter oder auch bösartiger Verleumdung – ohne dass objektive Überprüfung aktiv angestrebt wird. Diese Sachlage fördert Verleumdungen und Denunziantentum in Österreich. Es erübrigt sich, hier auf eine Anzahl von historischen Beispielen einzugehen, durch die erwiesen ist, dass Denunziantentum sich nicht gut mit demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien verträgt.

• Über das Recht auf Anonymität in Bezug auf Personen, die Sahaja Yoga nahe stehen, setzte man sich auf der Tagung allerdings bedenkenlos hinweg. Im Fall der OGH-Entscheidung wurde sowohl der Vor- wie auch Nachname des betroffenen Jugendlichen öffentlich (!) genannt, ohne dass „Nachteile“ für den Betroffenen „befürchtet“ wurden. Das Kindeswohl ist den Sektenstellen anscheinend selbst kein Anliegen.

• In dem Schreiben wird angeführt, dass die Veranstalter präventiv arbeiten, in einem Bereich, der unterhalb des straf- und zivilrechtlichen Tatbestandes läge. Demokratiebewusste nennen diesen Bereich „Freiheit“, in diesem Fall „Religionsfreiheit.“ Wogegen soll hier präventiv vorgegangen werden, wenn gar keine Straftaten oder Verurteilungen vorliegen? Es ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Veranstaltung oder die Vorgehensweise der Sektenstellen in Bezug auf Sahaja Yoga präventiv dem Kindeswohl dienen soll. Im Gegenteil, nach allen unseren bisherigen Erfahrungen verschärft die Einschaltung der Sektenstellen etwaige mögliche innerfamiliäre Konflikte um ein Wesentliches.

• In dem Schreiben steht, es sei nicht die Aufgabe der Veranstalter, in der Öffentlichkeit auf irgendwelche Leistungen oder Eigenheiten einer Gruppe hinzuweisen. Diese Aussage ist nicht verständlich. Eine Fachtagung mit dem Titel "Sahaja Yoga und das Kindeswohl" hat doch offensichtlich die "Eigenheiten" dieser Gruppe und deren Auswirkungen zum zentralen Thema, und wenn die "Leistungen" der Gruppe vollkommen ausgeklammert werden, kann man wohl schwer von Objektivität sprechen.

• Überraschenderweise und entgegen dem gesetzlichen Auftrag informierten die Sektenstellen die Öffentlichkeit gerade nicht über Entscheidungen unabhängiger Gerichte, die in strittigen Fällen immer zugunsten von Sahaja Yogis entschieden haben:

Herr Dr.Pitzinger führt in seinem Schreiben an, dass der von uns angesprochene Beschluss des Obersten Gerichtshofes keineswegs verschwiegen worden war. Zur Klarstellung: Tagespunkt der Tagung war: „ Dr.Peter Pitzinger: Bisherige Judikate in Bezug auf Sahaja Yoga“. Herr Dr. Pitzinger sagte den Tagespunkt ab, da er, wie er entschuldigend anführte, festgestellt hatte, keine „nennenswerten“ Judikate vorlägen. Er referierte dann über den angeführten OGH-Entscheid, der wie bekannt zu Gunsten des angeklagten Sahaja Yogis ausgefallen war.

Wären die Veranstalter nicht von der offensichtlich ungeprüften Annahme ausgegangen, dass es Judikate gegen Sahaja Yogis gäbe, stünde der Punkt wohl nicht auf der Tagesordnung. Offensichtlich wurde von dem diskriminierenden Vorurteil ausgegangen, dass Verstöße gegen die Gesetze des Landes vorlägen - daher unser Hinweis auf den ethischen Code von Sahaja Yoga. Dass mittlerweile mehrere Judikate im gleichen Sinn – entgegen der Unkenntnis Dr. Pitzingers - vorliegen, sei ausdrücklich angemerkt: alle fielen ebenfalls zu Gunsten von Sahaja Yoga aus.

• Herr Dr.Pitzinger betonte in seinem Vortrag, der vom OGH behandelte Fall, bei dem nicht nur die Ungefährlichkeit, sondern auch die positive Auswirkung der Aufenthaltes in der Schule in Indien auf das Kind festgestellt worden war, sei ein Einzelfall; aus ihm könnten keine Schlüsse für andere Fälle gezogen werden. Diese Aussage deutet auf eine Widerspruch in der Argumentation der Sektenstellen hin, auf den auch Univ. Prof. Dr. Brünner bereits hinwies: denn umgekehrt ließen angebliche, nie einer gerichtlichen Prüfung unterzogene Fälle, die der Sektenstelle zugetragen worden seien, auf die Gefährdung des Kindeswohls durch Sahaja Yoga schließen.

• Aufklärungsbedürftig erscheint uns auch der Widerspruch, dass die Veranstaltung keine offene Veranstaltung gewesen sei und daher auch Medienvertreter nicht zugelassen gewesen seien. Welchen Sinn hatte dann die am 16. März von den Veranstaltern über die APA verbreitete Presseaussendung mit dem reißerischen Titel "Immer wieder Konflikte mit Sahaja Yoga"?

• Richtigzustellen ist auch die Falschinformation der Presseaussendung: "Die Bedenken Friedrichs führten in einem Gutachten dazu, dass Sahaja Yoga der Status einer eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft vom Bund verwehrt wurde. Diese Entscheidung gilt auch vor dem Verfassungsgerichtshof.“ Dies ist sachlich unrichtig: Unserer Kenntnis nach Dr. Friedrich hat kein Gutachten erstattet. Die bisherige Weigerung österreichischer Behörden, Sahaja Yoga den Status einer religiösen Bekenntnisgemeinschaft zu gewähren, hatte ausschließlich formale Gründe und steht nicht im Zusammenhang mit Fragen der Kindererziehung. Weder vor dem Verfassungs- noch dem Verwaltungsgerichtshof erfolgte eine inhaltliche Prüfung und zwar weder des ministeriellen Bescheides noch von Sahaja Yoga, insbesondere auch nicht zum Thema Kindeswohl.

• Dr.Pitzinger führt in dem Schreiben an, dass die „Sachkritik“, welche auf der Veranstaltung geübt wurde, keine Minderheiten diskriminiere. Die angebliche Gefährlichkeit längerer Aufenthalte von Kindern in einem fremden Kulturkreis, ist jedoch nicht erwiesen; es konnten auch keine treffenden Einwände gegen längere Aufenthalte zum Spracherwerb in Frankreich oder Amerika angeführt werden. Die Definition von „fremder Kulturkreis“ ist eine Frage der Perspektive. Wenn indische Eltern ihre Kinder nach Indien in ein Internat schicken, kann man wohl kaum von einem „fremden Kulturkreis“ sprechen. Diese Art von Sachkritik ist sehr wohl diskriminierend, und zwar zum Beispiel indischen Eltern gegenüber.

• Zum Thema „Sachkritik“ weisen wir weiter hin: empirische psychologische Untersuchungen bestätigen die positive Auswirkung von Sahaja Yoga auf Kinder; hingegen gibt es – wie Dr. Friedrich indirekt bestätigte - keine einzige empirische Untersuchung über Kinder und Sahaja Yoga, die das Gegenteil belegt.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Es ist übliche, sowohl wissenschaftliche wie auch demokratische Vorgangsweise, zu Fachtagungen Vertreter aus verschiedenen Positionen einzuladen, damit ein objektives Bild geschaffen werden kann. Die oben angeführten Einwände betreffen nur einen Bruchteil der vielen unrichtigen und unsachlichen Aussagen, die im Laufe der Tagung gemacht wurden und die unwidersprochen im Raum stehen bleiben mussten, da kein Rahmen für eine sachliche Gegendarstellung gewährt wurde. Die Veranstaltung diente allein dazu, Vorurteile und Diskriminierung gegenüber einer wachsenden religiösen Minderheit zu schüren.

Ich bitte Sie daher noch einmal, mit allen Ihnen zustehenden Mitteln dafür zu sorgen, dass die Ihnen unterstellten Dienstellen in ihrer Arbeit auch die gesetzlich vorgeschriebene Objektivität walten lassen, die Religionsfreiheit tatsächlich respektieren und schützen und den religiösen Gruppierungen, mit denen sie befasst sind, auch adäquaten Raum für die Selbstdarstellung und die Berichtigung von Fehlern geben. Ich sehe der Umsetzung meiner Bitte durch Sie zuversichtlich entgegen.


Hochachtungsvoll